Himbeeren im November
Himbeeren im November
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Gestern beklagte sich mein Sohn über unsere tägliche Computer-Arbeit, und er meinte, wir könnten doch was Sinnvolleres machen: im Garten. Da hat er Recht. Nur: So ein Gartenjahr hat es in sich. Gierig und vorfreudig beginnt es bei mir im Februar. Tomaten, Andenbeeren (Physalis) oder auch Auberginen kann man jetzt auf der Fensterbank vorziehen und damit noch im tiefsten Winter den Frühling kommen spüren. An einem schönen Tag im März geht’s dann schon voller Drang hinaus, um dicke Bohnen zu stecken und Möhren. Das mit dem schönen Tag ist für mich wirklich wichtig, denn ich bin eine Schönwettergärtnerin. Mit kalten Fingern in feuchter Erde rumbohren, weckt in mir selten Lust und Laune. Deshalb finde ich auch Permakultur so toll: So wenig wie möglich arbeiten und doch das ganze Jahr im Garten was ernten können. Wunderbar! Ein Institut soll bald bei uns in der Nähe, in Nebelschütz, gegründet werden. Dazu aber ein anderes Mal.

Im April geht’s dann mit Erbsen, roter Beete und Salat weiter und nach den Eisheiligen im Mai wird dann das Feld mit Kartoffeln, Bohnen, Kürbissen und Zucchini gefüllt. Und hier beginnt dann schon leise, was mich weiter durch den Sommer in den Herbst begleitet: Garten! Nerv mich nicht.

Denn Mitte Mai setzt ein unglaubliches Wachstum ein, für das man starke Nerven braucht, um dabei immer noch im Gras liegen zu können und einfach nur zu genießen. Säen ist ja irgendwie noch eine magische Handlung, aber das Unkraut rund um die Möhren beseitigen, finde ich ziemlich lästig, zumal ich viel zu oft beim Rausziehen eine noch viel zu kleine Möhre mit in den Händen halte. Also überlasse ich nach den ersten Versuchen auch das Mutter Natur und suche am Ende der Saison eben die Möhren im hohen Wildwuchs. Neben dem Wachstum kam in den letzten Jahren eine für die Region neue Trockenheit hinzu und wer große Erdbeeren essen will, der muss halt gießen. Auch das Ernten hatte ich mir mal romantischer vorgestellt. Die Erntezeiten für Kirschen, Quitten, Pflaumen, Holunder, Erbsen und Bohnen sind wie kleine Fenster aus denen es ruft: Hol mich und zwar jetzt! Und damit ist es bei vielen Früchten ja nicht vorbei. Die wollen auch noch verarbeitet werden!

Ehrgeiz endet hier in Stress. Fülle muss man können – oder lernen! Das gelang mir glücklicherweise im letzten Jahr. Lass den Holunder doch den Vögeln, dachte ich mir. Genau! Im Supermarkt werden neben allerlei vogelschädlichem Zeugs jetzt auch ganzjährig Meisenknödel angeboten mit dem netten Hinweis, dass man damit zur Arterhaltung beiträgt und somit sein schlechtes Gewissen beruhigen kann, weil man gleichzeitig den anderen Mist im Wagen hat.

Der Trost für die Mühen ist allerdings enorm. Kalte Tomatensoße aus eigenen Tomaten – da geht einfach nichts drüber.

Nach dem in aller Regel wieder lustigem Kartoffelernten (das kann man so schön innerhalb von 2 Monaten genau dann machen, wenn es passt, und es ist immer wieder überraschend, wie dick sie denn nun sind) ist es im Oktober dann meist geschafft. Noch einmal den Boden lockern, dann legt sich der erste Frost wie ein hübsches, weißes Leichentuch über den Ort der Mühen.

Nur in diesem Herbst wachsen uns die Himbeeren und die Andenbeeren auch noch im November in den Mund. Noch gab es keinen Frost. Und so beginnt nun der entspannendste Teil des Gartenjahres: der Spätherbst und der Winter. Die Zeit des Abwerfens und klein Werdens. Gerade noch undurchdringliche Gebüsche geben den Weg wieder frei und die tief stehende Sonne scheint durch den entlaubten Kirschbaum bis ins Wohnzimmer.

Nach vier Wochen herrlichem Nichts-im-Garten-Tuns ist die Unlust dann plötzlich wie weggeblasen. Jetzt kann der Garten des nächsten Jahres im Kopf wachsen. Zeit für ein schönes Gartenbuch und den Gartenplan.

Die Moral von der Geschicht? Einfach nicht so viel Gemüse anbauen, sondern Sträucher mit Beeren und Bäume mit Obst pflanzen. Das muss nicht nur Apfel, Birne, Pflaume sein. Da in der gemäßigten Klimazone Asiens die Eiszeit nicht so viele uralte Sorten „ausgerottet“ hat, so hat es mir ein Biologe erzählt, kann man aus dieser Region erstaunlich exotische Pflanzen bekommen, die auch hier den Winter überstehen. Wie zum Beispiel einen chinesischen Fruchthartriegel Yang-Mei (Litschi ähnlich, mit ganz bezaubernden Blüten), einen Blauschotenstrauch oder die Lotuspflaume.

Und auch beim Gemüse gibt es Varianten für Faule, zum Beispiel den Chinesischen Gemüsebaum, den immer wieder wachsenden Kaukasischen Kletterspinat oder eine Esskastanie.

Mein Anbieter des Vertrauens für solch ungewöhnliches Obst und Gemüse ist Deaflora (Werder bei Potsdam, www.deaflora.de). Unbedingt mal reinschauen und schwelgen!

1 comments

  • Axel Krüger sagt:

    Verwundert reib ich mir die rot geränderten Augen. Ein Gartenbericht, der nicht von der Lust schwärmt, die schmerzender Rücken, aufgerissene Hände und zwischen den Brüsten in’s Tal rinnende Schweißbäche verursachen? Ein ehrlicher Gartenbericht? Sowas las ich nie zuvor und freue mich. Denn mir fehlt das Gen für die preußisch-protestantische Quäl-Dich-Ethik. Und Himbeeren ess ich gern.

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