Das nächste große Ding
Das nächste große Ding
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Als ich 13 Jahre alt war, überraschten mich meine Eltern mit einer „tollen Idee“: Wir ziehen aufs Land! Sie sagten das so fröhlich und für mich brach eine Welt zusammen. Was, aufs Land? Da würde ich nur noch mit meinen Eltern rumhängen? Grauenhaft! Ich fühlte mich als Anhängsel meiner Eltern, das schon längst in einer anderen Welt lebte. Und diese Welt, sollte nun in weite Ferne wandern. Obwohl ich schon immer hart im Nehmen war: Während andere zu Partys mit Papas Auto vorfuhren, machte es mich stolz, dass ich durch Wind und Wetter mit dem Rad anreiste. Unabhängigkeit und Freiheit waren mir einfach wichtig. Und so arrangierte ich mich irgendwann auch mit diesem gruseligen Gedanken. Dort draußen hätte ich immerhin Platz für ein eigenes Schlagzeug, den versprachen mir meine Eltern. Und mit dem könnte ich hübsch die ganze Ruhe wegtrommeln.

Rein innerlich war ich da aber schon auf dem Weg nach Berlin, wo mein älterer Bruder wohnte. Als ich dann das erste Mal mit einer Freundin allein durch Mitte und den Prenzlauer Berg zog, fühlte ich eine gewaltige Freiheit, nach der ich mich schon mein ganzes Leben lang zu sehnen schien. Niemand war mehr da, der irgendetwas wollte von mir oder Fragen stellte, nur ich und diese riesige verlockende Stadt. Es war ein Gefühl, als ob ich endlich frei atmen könnte und ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jemals anders sein würde. Ein paar Jahre später, mit 17, wohnte ich dort und machte mein Abitur, arbeitete im Tresor Club als light operator, an der Bar und der Kasse, später im Management, studierte und sog die Stadtluft mit vollen Zügen in mich ein.

Nach 7 Jahren war das irgendwie vorbei. Ich war fertig mit dem Stadtleben. Alles war so sehr Alltag und Gewohnheit geworden. Partys langweilten mich. Ich hatte alles gesehen, alles erlebt. Die Stadt nervte mich mit ihrem schnellen Takt, mit ihrer Lautstärke, mit ihrer Enge, mit den vielen suchenden Menschen, mit dem untergründigen Druck, hipp sein zu müssen. Ich war das schon lange nicht mehr. Ich war so eigentümlich leer und mein Herz voller Sehnsucht, immer wenn ich einen blühenden Baum sah oder die Linden auf dem Heimweg morgens vom Tresor so dufteten. Überhaupt streifte ich gern nachts durch die Straßen, da war es schön ruhig und leer.

Und so folgte ich einem Zufall und zog in ein 7-Häuser-Dorf. Keiner meiner Freunde verstand das: Wie kannst Du Dich nur so ins Abseits schießen?

Aber beim ersten Erkundungsbesuch auf dem Land hatte ich einfach so eine überwältigende Freiheit gefühlt, so wie damals bei meinem ersten Tag allein im Prenzlauer Berg. Es war ein Gefühl, als ob ich endlich frei atmen könnte. Hier konnte ich über Wiesen und Felder tollen ohne gleich überfahren zu werden, ich konnte mitten in der Nacht die Mucke aufdrehen und laut mitsingen. Hier konnte ich viel mehr sein, wie ich wollte.

Letztens sagte eine Freundin zu mir: In den Städten warten sie auf das nächste große Ding. Zu meiner Zeit waren das Techno und die Loveparade. Ich glaube, das nächste große Ding wird das Landleben sein. Es gibt nur noch wenig Platz in den Metropolen sich zu entfalten und die krassen Mieten machen die Leute mürbe, während man hier in der Oberlausitz schon für eine Berliner Jahresmiete ein Haus kaufen kann.
Vielleicht ist es ja auch die Kombination aus Stadt und Land? Vielleicht wird man sich mal in eine Community einmieten, in der man ein Haus in Neukölln und eins in Klein Priebus bewohnen kann?

Auf jeden Fall haben wir schon mal die Raumpionierstation Oberlausitz gegründet. Wir beraten Städter, die aufs Land ziehen wollen. Erzählen davon, wie es ist, wenn die Landlust auf das echte Landleben trifft. Und wir leiten die Leute in unser großes Netzwerk weiter. Denn eine kritische Masse an interessanten, kreativen Leuten gibt es hier schon. Sie sind nur nicht so leicht zu finden. Ich habe gehört, dass die meisten eine Gruppe von 5 oder 6 Leuten brauchen, dann würden sie den Schritt ins Unbekannte auch wagen. Denn wer will schon wirklich Pionier, also der Erste sein?

Mag sein, dass ich mich täusche mit dem nächsten großen Ding. Dann setze ich mich halt wie gewohnt in den Garten und lass die Wolken über mich hinwegziehen. Was soll ich sagen, es ist einfach herrlich das Landleben. Es ist mein großes Ding.

1 comments

  • gregor sagt:

    schöne story. übrigens (wir waren gerade da) scheint der stadt-land-kombi-modus zwischen bärlin und der prignitz bereits ganz gut zu funktionieren – die o.g. „community“ wäre doch ein modell mit potenzial!

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