Vor vier Jahren
Vor vier Jahren
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Vor vier Jahren hat alles angefangen. Aus einer Laune heraus, einem spontanen Impuls folgend, postete Arielle auf unserer Agentur Homepage 2015 eine Einladung an Städter, uns zu kontaktieren, wenn sie mit dem Gedanken spielen „aufs Land zu ziehen“. Ein offenes, freundliches Angebot, dass aus unserer eigenen Geschichte heraus geboren wurde. Dem Kind haben wir schnell einen Namen gegeben: Raumpioniere Oberlausitz!

Wir beide hatten Berlin bereits mehrere Jahre hinter uns gelassen. Etwas naiv und unvorbereitet waren wir 2009 in Klein Priebus an der Neiße gelandet, hatten uns eingerichtet, eine kleine Firma aufgebaut und.. .mussten feststellen, dass das Leben auf dem Land Aufgaben mit sich bringt, die man als Städter nicht auf dem Radar hat. Allein über das Thema „Haus & Hof“ mit all dem, was man sich damit einhandelt, lässt sich ein Buch schreiben oder auch das Thema Daseinsvorsorge (ÖPNV, Supermarkt, Arzt, Schule etc.). Oder das Thema „Menschen, Freunde, soziales Umfeld“ etc. – Da gab es viel zu lernen und viel zu berichten. Und natürlich ist nicht alles rosig und nicht alles, was glänzt ist Gold.

In den vergangenen sechs Jahren haben wir viel erlebt. Mehrere hundert Menschen haben real oder virtuell an unserer Tür geklopft und wir haben ihnen erzählt, wie das so läuft auf dem Land, wir haben sie vernetzt, beraten und ihnen Mut gemacht. Alles aus unserer ganz subjektiven, persönlichen und authentischen Sicht heraus.

Unser Raumpioniere Projekt ist stetig gewachsen. Wir haben Veranstaltungsformate entwickelt, sind Kooperationen eingegangen, werden hie und da als Inputgeber geladen und wir haben Nachwuchs bekommen. Mittlerweile gibt es Raumpionier Knotenpunkte in der Prignitz, in West-Mecklenburg, in Vorpommern und demnächst auch in Polen, unweit von Forst.

Unseren womöglich größten Erfolg messen wir über die Reichweite unserer Medienarbeit. Der Stapel allein der Printpublikationen, in denen wir gelandet sind, ist einen Meter hoch. Googelt man uns, dann reiht sich Trefferseite an Trefferseite. Unsere Botschaft, dass es sich lohnt, über die Option eines Lebens im ländlichen Raum nachzudenken, hat viele Millionen Menschen erreicht.

Aber es sind natürlich nicht nur wir allein, die beständig die Gebetsmühle drehen und daran arbeiten, die Qualitäten des Ländlichen zu feiern. In den vergangenen Jahren sind vor allem in den neuen Bundesländern eine Vielzahl von Projekten entstanden, die sich wie wir, auf die Fahne geschrieben haben, die Botschaft zu verbreiten, dass die Zukunft unserer Gesellschaft gerade auch im lange verschmähten, ländlichen Raum bestimmt wird.

Es funktioniert! Der Trend ist nicht mehr zu übersehen, viele Städte und Gemeinden haben erkannt, dass Zuzügler & Rückkehrer ein enormes und im besten Fall befruchtendes Potential mitbringen und sich an ihrem neuen Lebensmittelpunkt aktiv für die Entwicklung ihrer Gemeinde oder Stadt einbringen. „Selbstwirksamkeit“ heißt das Zauberwort bzw. die Erkenntnis der „Neuen“, dass sie etwas gesellschaftlich Relevantes bewegen, schaffen und machen können. Auf Seiten der Städte und Gemeinden braucht es allerdings „Ermöglicher“, also vorzugsweise Bürgermeister, die Türen öffnen, Unterstützung anbieten und sich auch auf Experimente einlassen. Dafür, dass das funktioniert gibt es mittlerweile viele Beispiele.

Wichtig: Unser Anliegen war und ist es nicht, Stadt gegen Land auszuspielen. Uns geht es weit mehr um eine Symbiose, eine Verzahnung, die die Grenzen aufhebt. Stadt und Land sind in einem stetigen Wandel und das schon immer seitdem Nomaden sesshaft geworden sind. Migration in beide Richtungen hat es auch schon immer gegeben. Also grundsätzlich nichts Neues.

Neu sind allerdings die Extreme, die sich herausgebildet haben. Das Leben in den urbanen Regionen wird zunehmend teurer, stressiger, lauter und wenig lebenswert und auf der anderen Seite können manche peripheren Lagen im Ländlichen kaum noch die Mindestanforderungen an Daseinsvorsorge leisten. Die einen, wie die anderen fühlen sich abgehängt. Heute las ich von einer neuen Studie, die unter anderem belegt, dass über 12% der Menschen in deutschen Großstädten nach Abzug von Miete und Nebenkosten nicht einmal das Existenzminimum bleibt. Das ist bitter. Allein für Berlin kommen da gut 400.000 Menschen zusammen.

Die Politik hinkt der Aufgabe hinterher. Viel zu langsam, viel zu behäbig, viel zu…? Zudem wird immer noch seitens der Raumplaner der Bundesbehörden die Verdichtung der Metropolen und Oberzentren propagiert und auch in den Landeshauptstädten sitzen viel zu oft Menschen in Glaskästen, aus denen heraus über den ländlichen Raum (fehl) entschieden wird. Die Beziehung zwischen Stadt und Land würde Facebook mit „its complicated“ beschreiben.

In der Oberlausitz erleben wir gerade den von großen Wünschen und Hoffnungen getragenen sogenannten Strukturwandel: raus aus der Kohle und rein… ja, wo geht denn eigentlich die Reise hin? Das kann keiner so richtig sagen. Niemand kann schlüssig erklären, warum die Millionen und Milliarden mal hier oder dort landen und vor allem kann keiner erklären, dass die Bürger, die dieser Prozess betrifft nahezu nicht eingebunden sind in den Strukturwandel, der ja ihre Zukunft und vor allem die ihrer Kinder beschreibt.

Umso wichtiger sind deshalb Zuzügler & Rückkehrer, die sich zusammen mit den Einheimischen in die Entwicklung der ländlichen Räume einbringen, die loslegen und ihrem Tun ein Gesicht und eine Stimme geben. Die Chancen für ein gutes Gelingen werden meiner Meinung nach immer besser. Mit der fortschreitenden Digitalisierung verändern sich die Arbeitswelten (Covid-19 ist der Homeoffice Pusher schlechthin), die Mobilität verändert sich und es entstehen ganz neue Lebenskonzepte, die zunehmend nachhaltig, klimafreundlich und sinnbehafteter sind.
In diesem Sinne: weiter machen!
Und: Vielen Dank an all unsere Förderer und Unterstützer!

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