Alexander Tetsch

Ich habe lange Zeit in Metropolen wie München, Seattle (USA) oder Neu Delhi (Indien) gelebt und gearbeitet, und habe schon damals die wohltuende Weite des Raumes vermisst, die mir nur das Landleben schenken kann. Natürlich muss ich bis zum nächsten Kino oder Museum eine Strecke fahren, aber der beruhigende Blick aus meinem Fenster über die Brandenburger Felder zum Waldrand, der schon in Sachsen liegt, ist für mich ein sehr wichtiges Stück Lebensqualität.

Was verbindet Dich im Besonderen mit der Lausitz? Was schätzt Du an der Region?

Meine Frau stammt aus dem Lausitzer Dorf, in dem wir wohnen und arbeiten. Und sie war der eigentliche Grund, warum wir aus dem Wendland (also aus dem Atomwiderstand) in die Lausitz (also in den Kohlewiderstand) gezogen sind.

Die Lausitz erinnert mich in vielem an das Wendland (Landkreis Lüchow-Dannenberg): die Strukturprobleme des vernachlässigten ländlichen Raumes (die als Freiräume aber auch gleichzeitig für kreative und mutige Menschen ungeahnte Möglichkeiten bieten), die Lage an der Ostgrenze (im Wendland an der Grenze zur ehemaligen DDR, in der Lausitz an der Grenze zu Polen und Tschechien), die charmant verfallenen Bauernhäuser (die man für wenig Geld kaufen und mit viel Zeit renovieren kann) und die sorbische Kultur (im Wendland waren es die Wenden, hier sind es die Sorben, die als zwei Untergruppen des selben Volksstammes der Kulturlandschaft ihren Stempel aufgedrückt haben).

Weh tun mir aber jeden Tag die Menschen, die ihr Geld im Bergbau mit der Zerstörung der Lausitz verdienen, und die Quadratkilometer großen Wunden und Narben in der Landschaft (= die Braunkohle-Tagebaue), an deren Folgen wir nicht nur heute (Lärm- und Staub-Emissionen, gesundheitliche Einflüsse, Grundwasserabsenkung, Abbaggerung kompletter Dörfer, gesellschaftliche Spaltung ganzer Dörfer in Kohle-Befürworter und -Gegner), sondern auch noch lange Zeit weiter leiden werden (Verockerung der Gewässer, Rutschungen und allerlei „Ewigkeitslasten“).

Was arbeitest Du hier?/Wovon lebst Du hier? 

Einerseits berichte ich als Umweltjournalist und Betroffener über die Zerstörung der Lausitz durch die Braunkohle-Tagebaue (www.tetsch.eu). Aber meine Frau und ich wollten nicht nur mit der Kraft unseres journalistischen Wortes, sondern auch mit sofort sichtbaren Taten die Lebensqualität unseres von der Abbaggerung bedrohten Dörfchens verbessern. In Proschim hat vor 6 Jahren der alte Dorfkrug als das heimliche soziale Zentrum geschlossen. Daher wollten wir einen Platz schaffen, der sowohl die Dorfbewohner wieder zum Gespräch beim Feierabendbier einlädt, als auch kulinarisch so attraktiv ist, dass die Feinschmecker aus der Lausitz zu uns nach Proschim kommen. So wurde die Idee von unserem Open-Air-Flammkuchen-Restaurant „Schmeckerlein“ (www.schmeckerlein.de) geboren, in dem wir seit 2015 in unserem holzbefeuerten Steinbackofen nach traditioneller Art und Weise Flammkuchen backen, die unsere Gäste dann unter freiem Himmel in unserem mediterranen Duft-Kräutergarten genießen. Somit sehen wir uns auch als „Genuss-Pioniere“, die neben dem Lausitzer Nationalgericht „Kartoffeln mit Leinöl“ andere kulinarische Genüsse in den Herzen der Lausitzer etablieren wollen.

Ort
Proschim bei Welzow (keine 500 Meter von der Abbruchkante zum Braunkohle-Tagebau Welzow-Süd entfernt)